Nominierung Big Brother
"Missbrauchsopfer als Studienobjekte für Heimkinderstudie"
Der WEISSE RING führt im Auftrag der Stadt Wien seit August 2010 das Projekt "Hilfe für Opfer von Gewalt in Einrichtungen der Stadt Wien" durch und hat bisher mit mehr als 1.700 Betroffenen Gespräche geführt. Ein von sehr vielen Betroffenen vorgebrachtes und zentrales Anliegen ist es, aktiv einen Beitrag leisten zu wollen, dass das, was sie an Gewalt in Heimen und bei Pflegeeltern erfahren mussten, heute "nicht mehr passiert". Der WEISSE RING hat dieses Anliegen ernst genommen und Betroffene über die Teilnahmemöglichkeiten an wissenschaftlichen Studien informiert: "Der Kindheit beraubt. Gewalt in den Erziehungsheimen der Stadt Wien" von Reinhard Sieder und Andrea Smioski, die Untersuchungen der Kommission Wilhelminenberg unter der Leitung von Barbara Helige, der Studie "Zur Lebenswelt der Pflegekinder in der Wiener Nachkriegszeit von 1955 bis 1970" von Elisabeth Raab-Steiner und derzeit die "Wiener Heimstudie" unter der Leitung von Brigitte Lueger-Schuster.
Uns ist bewusst, dass die Kontaktaufnahme des WEISSEN RINGES - erfolgt diese nun telefonisch oder schriftlich - mit einem/r Betroffenen von Gewalt Belastungen auslösen kann, selbst wenn der Kontakt lediglich das Ziel hat, einen persönlichen Gesprächstermin zu vereinbaren, relevante Informationen weiterzugeben oder ein Betreuungsangebot auszusprechen. Der Kontakt mit dem WEISSEN RING ist für Opfer mit überaus belastenden, verletzenden und traumatisierenden Ereignissen verbunden und daher ist es uns ein großes Anliegen, dass Opfern emotionale Unterstützung und Entlastung sowie professionelle psychologische und therapeutische Hilfe zur Bewältigung der Opfersituation geboten wird. Jede/r Betroffene entscheidet jedoch autonom, eigenständig und unabhängig, welche Maßnahmen er/sie ergreifen möchte und wird. Unsere Aufgabe ist es, Rechte und Hilfsmöglichkeiten aufzuzeigen und Unterstützung zu bieten, wenn diese gewünscht wird.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die wissenschaftliche Aufarbeitung der Ereignisse dazu beiträgt, die Ursachen, Rahmenbedingungen und Systematik von Missständen, von denen Betroffene berichten, nachvollziehbar zu machen und daraus einen Anforderungskatalog an die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen auszuarbeiten und seine Umsetzung einzufordern. Mit der Unterstützung der Studien leistet der WEISSE RING einen Beitrag, Opfern von Straftaten eine Stimme zu geben, ihre Erfahrungen einzubringen, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu artikulieren und damit die Grundlagen für ein opferorientiertes Rechtssystem zu schaffen.
Eine der in den Statuten des WEISSEN RINGES verankerte Aufgabe ist die umfassende Forschung im Bereich der Viktimologie und die Umsetzung ihrer Ergebnisse durch vorbeugende Konzepte und Maßnahmen sowie die Erarbeitung legistischer Vorschläge zur Verbesserung der Situation von Kriminalitätsopfern. In diesem Zusammenhang hat der WEISSE RING bereits zahlreiche Untersuchungen und Studien unterstützt, mit dem Ziel, die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen über die Situation von Opfern von Straftaten und über die massiven, dauerhaften Folgewirkungen von physischer, psychischer und sexueller Gewalt. Nur auf Basis von Daten aus der wissenschaftlichen Forschung - Kriminologie und Viktimologie, Soziologie, Psychologie - konnte und kann in erster Linie für die Gesellschaft und die Öffentlichkeit und in der Folge für den Gesetzgeber überzeugend argumentiert werden, Rechte für Opfer einzuräumen bzw. zu verbessern.
Mit freundlichen Grüßen
Hon.Prof.Dr. Udo Jesionek